Die soziale Wohngemeinschaft in Gradačac

Projekt


Der Bosnienkrieg endete vor rund 25 Jahren und seine Folgen sind bis heute spürbar. Die kriegsbedingte Gewalt und der sexuelle Missbrauch haben viele traumatisierte Frauen und Kinder hinterlassen, die heute ohne familiären Rückhalt auf sich allein gestellt sind. Viele leben in tiefster Armut und leiden unter gesundheitlichen Folgen der erlittenen Traumata, die sie auch daran hindern sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
In der patriarchalisch geprägten Gesellschaft Bosnien-Herzegowinas sind diese Frauen praktisch unsichtbar. Das staatliche Sozialsystem hat grosse Lücken und selbst eine Witwenrente reicht bei Weitem nicht aus, um ein würdevolles Leben führen zu können.

Zusammenleben auf partizipativer Basis

Mit dem Bau eines Hauses in der Gemeinde Gradačac erhalten sozial benachteiligte Frauen und ihre Kinder eine gesicherte Wohnsituation und ein Zuhause mit Perspektive:

Die Bewohnerinnen leben zusammen in einer Wohngemeinschaft und versorgen sich durch die Bewirtschaftung des umliegenden Landes so weit wie möglich selbst. Das gemeinschaftliche Wohnen basiert auf Partizipation sowie gegenseitiger Unterstützung, fördert die Autonomie der Frauen und befähigt sie zum emanzipatorischen Handeln.

Im Idealfall entsteht ein Kollektiv von fünf Frauen, das sich selbst organisiert, sich gegenseitig bereichert sowie Konflikte ausdiskutiert und selbständig löst. Eine geschulte Betreuungsperson begleitet die Wohngemeinschaft und unterstützt die Frauen bei Bedarf.

Architektur als Mittel zur Sichtbarkeit

Durch eine symmetrische Gestaltung mit identischen Zimmern und einer Beschränkung des Wohnbereichs auf das Erdgeschoss ergibt sich eine gleichberechtigte Wohnsituation. Neben seiner Ausrichtung auf das Zusammenleben wirkt das Haus als Leuchtturm in der Region und gibt den Frauen eine Sichtbarkeit.

Der Wohnbau ist in die umliegende Hügellandschaft eingebettet und mit seiner hohen Frontpartie gegen die südliche Sonne ausgerichtet. Der gemeinschaftliche Wohnsaal verwandelt sich in der warmen Jahreszeit – im Schatten des langen Oberbaus und der hausnahen Bäume – in eine Veranda. Im Winter erhellt das Tageslicht aufgrund des niedrigen Sonnenstandes auch die hinteren Raumpartien.

Projektziele

  • Sozial benachteiligte Frauen und ihre Kinder erhalten in Gradačac einen gesicherten Wohnraum, welcher ihre Lebensbedingungen langfristig verbessert.
  • Durch ein selbstbestimmtes gemeinschaftliches Zusammenleben wird die Autonomie der Bewohnerinnen gefördert und befähigt diese zum emanzipatorischen Handeln.
  • Die Bewohnerinnen erlangen neue Fähigkeiten mittels Austausches untereinander und Bildungsangeboten.
  • Die Bewohnerinnen versorgen sich durch die landwirtschaftliche Nutzung des umliegenden Landes und können die Produkte ebenfalls als Einkommensquelle einsetzen.
  • Der Alltag der Bewohnerinnen wird durch gemeinsame und externe Aktivitäten bereichert.
  • Betroffene Frauen und ihre Kinder der Region erhalten mehr Aufmerksamkeit und die Menschen werden auf die existierende Problematik sensibilisiert.  
  • Die Wohngemeinschaft dient als positives Pilotprojekt und zeigt auf, wie benachteiligte oder vergessene Bevölkerungsgruppen unterstützt werden sowie andere Lebens- und Wohnweisen funktionieren können.